In diesem Artikel will ich euch erzählen, wie wir das Stillen trotz Trennung nach der Geburt geschafft haben:
Es ist wahrscheinlich der Albtraum jeder frisch gebackenen Mutter – dein Kleines erblickt endlich das Licht der Welt, du bekommst noch mit, dass ihr es geschafft habt, und dann siehst du nur mehr wie sie dein Baby aus dem Kreissaal tragen.
So erging es mir leider. Alexander hatte direkt nach der Geburt keine Anstalten gemacht selbständig zu atmen. Es war meine erste Geburt, deshalb war einfach vieles neu für mich, ich wusste garnicht so recht, was da gerade vor sich geht. Schon bevor er aus mir heraus kam, stand die Kinderärztin parat (ich dachte, da sei vielleicht immer so bei Geburten), die den Kleinen sofort an sich nahm und damit in die Neo eilte. Es dauerte geschlagene 10min bis wir seinen ersten Schrei hörten. Der Moment kam mir vor wie in einem Film, so unwirklich alles.
Ich wurde versorgt und in mein Zimmer gebracht. Allerdings nicht ohne vorher noch einen Blick auf ihn zu werfen, als er so schlafend im Inkubator lag, verkabelt selbstverständlich.

Alleine im Familienzimmer
Im Zimmer kam eine Krankenschwester (oder war sie eine Hebamme?) zu mir und brachte mir eine Milchpumpe von Medela. Sie erklärte mir, wie ich sie zu bedienen hatte und dass ich pumpen, pumpen, pumpen sollte.
Ich schlief etwas und ruhte mich aus. Als ich wach wurde, fragte ich ob ich den Kleinen sehen könnte. Das war nun unser erster bewusster Moment. Ich hielt ihn einfach nur und sah ihn ganz lange an. Seit der Geburt waren 8 Stunden vergangen. Es gab kein Bondig, kein Anlegen, kein Kuscheln. Ich wurde im Rollstuhl hingebracht und bekam ihn in den Arm gelegt. Nach einer dreiviertel Stunde wurde mir erklärt er sei jetzt müde und ich solle mich auch wieder ausruhen gehen. Es war genau während des Corona Lockdowns und ich kann mir vorstellen, dass alle noch sehr nervös waren. Alexanders Papa wartete im Familienzimmer. Ihm wurde es verboten sein Kind zu sehen.
Von Stillen und Anlegen war da noch keine Rede. Zu dem Zeitpunkt wurde er von den Schwestern der Neo ohnehin schon mit der Flasche gefüttert.
Der erste Stillversuch
Erst beim zweiten Besuch starteten wir einen Stillversuch. Der Kleine weinte und schrie und konnte einfach nichts mit meiner Brust anfangen. Er dockte einfach nicht an. Neben mir stand jedes Mal die Schwester mit dem Fläschchen in der Hand, mit dem Hinweis, wenn es in den nächsten Minuten nichts wird, dann bekommt er das Fläschchen. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt und unfähig. Und ich war wütend. Dieses Spiel wiederholte sich zwei Tage lang – ich durfte 3-4x am Tag zu ihm, pumpte zwischendurch Milch ab und gab sie ihm letztendlich doch im Fläschen – ehe ich gottseidank ein Zimmer mit ihm auf der Neo-Station bekam.
Ab dann versuchte ich es alleine immer wieder. Der Kleine begann zu weinen und zu schreien, die Schwester kam und fragte ob alles in Ordnung sein. Es war wirklich mühsam. Bis einmal eine Schwester Dienst hatte, die mir den “heiligen Gral” überreichte. Eine kleine Pipette und ein Stillhütchen.
Ich steckte meine Brustwarze im Stillhütchen in Alexanders Mund und tröpfelte etwas Milch aus der Pipette darauf. Er dockte an – oh Wunder! Er begann ein bisschen zu saugen und erstmals spürte ich den Milchspendereflex. Es war unangenehm, aber gleichzeitig spürte ich pures Glück. Unbeschreiblich.
Von nun an versuchten wir es immer so. Er trank auch tatsächlich von der Brust, allerdings immer nur kurz, sodass er dann zum “satt werden” immer das Fläschchen bekam.
Zu Hause angekommen
Am 4. Tag nach seiner Geburt wurden wir vom Spital entlassen. Für den Fall, dass wir auch zu Hause Anlegeprobleme hatten, organisierten wir uns ein paar Fläschchen trinkfertige Milch. So ohne die Unterstützung durch die Krankenschwestern und das ganze Equipement des Spitals war ich dann doch wieder unsicher, weshalb ich die Fläschchen relativ zügig “verfütterte”. Bei jedem Mal stillen füllte ich die Pipette mit Milch und schnappte mir das Stillhütchen.
Einen Tag nach der Entlassung waren wir nochmal für eine Untersuchung im Krankenhaus. Dort geschah dann das, wovor ich mich so gefürchtet hatte. Der Kleine hatte Hunger und ich musste im Spital stillen. Ich hatte mir zwar die Stilhütchen eingepackt, aber keine Pipette mit Milch mit. Normalerweise benutzte ich die Stillhütchen von Ardo in Größe M, mitgenommen hatte ich da aber die von Philips Avent in M. Die Hütchen waren viel breiter und Alexander nahm sie einfach nicht an. Er begann dort zu schreien, und ich bekam die Panik. Mein Mann holte uns ab und zu Hause gab es dann sofort ein Fläschchen. Das Erlebnis war wirklich frustrierend. Ich habe meiner Nachbetreuungshebamme geschrieben, dass sie bitte sofort kommen soll und mir helfen, da ich kurz vorm Aufgeben bin.
Mit Gelassenheit zum Ziel
Die Hebamme besuchte uns gleich am nächsten Tag zu Hause. Sie sah sich unseren “Kampf” an und begann dann, ebenso wie ich bisher, mit der Pipette Milch auf das Stilhütchen zu tröpfeln. Alleine durch ihre bloße Anwesenheit entspannte ich mich und siehe da – Alexander dockte an. Er nahm eine komplette Stillmahlzeit nur von der Brust. Das hatten wir so noch nie.
Mein Mann war auch dabei und sah sich genau an, wie wir das machten, sodass er mir bei den nächsten Stillmahlzeiten assistieren konnte. Beim nächsten Mal klappte es wieder, und wieder, und wieder. Langsam begannen wir die Pipette wegzulassen, sie war jedoch immer griffbereit (sicher ist sicher), bis wir nach 3-4 Tagen ohne auskamen. Alexander hatte auch kein Fläschchen mehr bekommen die letzten Tage.
Das nächste Ziel war es dann das Stillhütchen wegzubekommen. Ich wollte keinesfalls daran hängen bleiben, da es logistisch doch einfacher ist ohne zu stillen. Ich ließ den Kleinen mit Stillhütchen trinken. Sobald er absetzte, nahm ich es weg und träufelte Milch mit der Pipette auf die Brustwarze und in seinen Mund (ja, da brauchte ich die Pipette wieder) – siehe da, er dockte an!
Wir wiederholten das ganze immer wieder, ich weiß nicht mehr wie lange es dauerte, bis wir dann die erste Stillmahlzeit komplett ohne Hütchen schafften, aber mit ca. 5 Wochen war er “Stillhütchen-frei”.
Heute ist er fast 5 Monate und wir stillen ganz normal, als hätten wir nie was anderes getan!
Ich bin der Hebamme so dankbar, dass sie mir Mut zugesprochen hat und vorallem, dass sie mir zugehört hat. Dadurch fiel mir viel Last von den Schultern und ich konnte das Stillen endlich entspannt angehen, anstatt mich davor zu fürchten und mir selbst Vorwürfe zu machen.
Ich will jede Mama, die anfangs genau so Probleme hatte, ermutigen nicht sofort die Flinte ins Korn zu werfen. Stillen trotz Trennung nach der Geburt ist machbar. Es braucht nur viel Geduld, Liebe und eine Pipette 🙂